KL 04 Juni 2021 – 26 Februar 2022
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Gruppenausstellung XENIA
Gruppenausstellung, XENIA
XENIA: hello stranger, be my guest
Hello stranger, am I invading your space, or are you invading mine?
Ob Gäst*in oder Gastgeber*in – das bleiben nicht die einzigen Narrative, welche die überirdische Concierge XENIA bei ihrer Führung durch ein virtuelles Hotel, das zur fiktiven Ausstellungsfläche wird, in Frage stellt.
Die Idee zum Konzept rührt aus dem kuratorischen Interesse, mögliche Bedeutungen von “Gastlichkeit” durch eine Dekontextualisierung von Kunst zu erforschen. Dafür sollten ursprünglich künstlerische Arbeiten aus ihrer, als natürlich wahrgenommenen „Behausung“ enthoben und temporär in die Umgebung des Hotels eingebettet werden.
Der Unmöglichkeit geschuldet, diesem Vorhaben nachzugehen, wechseln die Kunstwerke erneut ihr Habitat und finden ihre digitale Übersetzung in Form der Videoarbeit “XENIA: hello stranger, be my guest”, bei welcher es sich selbst um ein künstlerisches Produkt handelt. Angeleitet von einer Avatar*in begeben sich die Besucher*innen auf eine virtuelle Führung durch die Gästezimmer eines fiktiven Hotels, in welchem es künstlerische Positionen zu entdecken gilt, anhand derer eine gewisse Parallelität zwischen dem Begriff der „Gastlichkeit“ und den Eigenschaften des Hotels und dessen Gästezimmern gezeichnet werden will. Dabei sollen etwaige Verknüpfungspunkte zwischen der Betrachtung des Hotelzimmers als temporäre (Raum)Situation – die sich zwischen den Bereichen des Privaten und Öffentlichen bewegt – und Aspekte der Globalisierung oder (politischen und institutionellen) Definitionen eines vermeintlichen Innen und Außen sowie determinierende Körperpolitiken innerhalb öffentlicher Räume durch Beiträge zeitgenössischer Künstler*innen offengelegt und hinterfragt werden. Während die analoge Version dieser künstlerisch-kuratorischen Intervention auf performative Weise die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichen durch das individuelle Verhalten der Gäst*innen – die sich frei zwischen den unterschiedlichen Hotelzimmern bewegen – zur Diskussion gebracht hätte, stellt sich in der digitalen Version viel mehr die Frage danach, wer Gäst*in und wer Gastgeber*in sei.
Dabei betrachten wir das Hotel als eine (temporäre) Schwellensituation zwischen dem Öffentlichen und Privaten und zwischen den Rollen von Gastgeber*in und Gäst*in, als einen Ort des ständigen Kommen und Gehens, an dem Menschen mit den unterschiedlichsten gelebten Narrativen temporär zusammenkommen. Es kann als ein transitorischer “Zwischenraum” dienen, entfernt vom Alltag, ein Nicht-Ort, eine “Heterotopie” par excellence. Eines der Hauptmerkmale von Hotels besteht darin, dass es auf Kontinuität, Vorhersehbarkeit und die Anforderungen der Kunden*innen/Gäst*innen setzt, um die Wiedererkennbarkeit der Marke zu gewährleisten. Schließt eine innere Standardisierung des Hotels die äußere Realität/physische Verortung aus? Ein Hotel ist dafür vorgesehen, Menschen eine vorübergehende Bleibe zu gewähren. Gäst*innen müssen jedoch im Gegenzug für diese Dienstleistung bezahlen. Inwieweit wird dadurch der aufrichtige Status der Gastlichkeit beeinflusst? Welche (un)sichtbare Vorarbeit ist Voraussetzung um den Zustand von Gastlichkeit herzustellen? Und wer verrichtet diese Arbeit? Kann sich jede*r diese Art der Gastlichkeit leisten? Beziehungsweise kann sich überhaupt jede*r frei bewegen?
Der Charakter des Hotelzimmers unterliegt einem permanenten Prozess des Übergangs und Wandels, ein abwechselndes Pendeln zwischen Eigenschaften, die dem Privaten und dem Öffentlichen zugeschrieben werden. Kohärent mit jenem Zustand, in welchem sich dieses degenealogisierte Heim befindet, wandelt sich auch die Definition der Gäst*in zu jener der Gastgeber*in. Diese Annahme wiederum lässt darauf schließen, dass es sich bei den Kategorien des Privaten und Öffentlichen um Konstruktionen handelt, die als natürlich wahrgenommen werden und deren kontextuelle Bedeutungen jeweils hierarchischen Ordnungen unterliegen. Eine Infragestellung von „Konstruktionen“ wiederum ist eng verwoben mit der Annahme von Kategorien wie Geschlecht, Heteronormativität, Ethnizität oder Klasse. So können das Öffentliche und das Private nicht nur durch die von den Kategorien hervorgerufenen repressiven Setzungen und Grenzziehungen bedeutsam werden, sondern auch auf möglichen emanzipatorischen Gehalt untersucht werden, etwa durch das Verständnis des Privaten als politisch oder der Einbindung des sich im Öffentlichen und Privaten bewegenden, politischen Körpers. In einer derartigen Auseinandersetzung scheint es unumgänglich, eine Diskussion um eine mögliche Definition dessen, was nun mit dem Öffentlichen und Privaten gemeint sei, zu führen. Ist der öffentliche Raum eine verlässliche Repräsentation der Gesellschaft, als Ort des Konflikts, der Vielfalt und des Austauschs oder wird er primär durch wirtschaftliche Interessen definiert? Wo ist der private Raum angesiedelt und wie beeinflussen die digitalen Veränderungen unserer Zeit all jenes, was wir als privat und öffentlich erachte(te)n? Wie könnten solche Reflexionen durch Kunst im Kontext dieser spezifischen Umgebung des Hotelzimmers öffentlich vermittelt, gleichzeitig aber privat erforscht werden?
Ein Hotel trägt unweigerlich auch die Symbolik des Reisens mit sich. Wie gehen wir mit einer Inbesitznahme von “fremden” Räumen und Orten um? Das Reisen besteht aus dem süßen Versprechen in “andere” Umgebungen einzutauchen, “andere” Kulturen zu entdecken. Doch was hinterlassen wir und was nehmen wir mit? Was fangen wir mit unseren Augen ein? Ist es ein Geben und Nehmen oder nicht eigentlich lediglich ein Nehmen?
Teilnehmende Künstler*innen:
Vincent Everaerts, Yannick Harter, Artor Jesus Inkerö, Natalia Jordanova, Cynthia Montier, Nemo Nonnenmacher, Raiko Sánchez (mit den Gastkurator*innen Lucie Klysch und Mia Junker), Lore Sommereyns
Video-Animation: Raiko Sánchez
Sound-Design: Damian Dalla Torre
Xenia wurde gesprochen von: Lauretta van der Merwe
Besonderer Dank: Nele Lederer, Ris Pascoe
Konzept und Kuration:
Ewa Meister, Jeroen Cavents, Johanna Ralser
Projektkoordination:
Beatrice von Bismarck, Benjamin Meyer-Kramer, Julia Kurz
Mit freundlicher Unterstützung durch: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, a&o Hostels, stART Foundation, a&o Kunsthalle und HGB Leipzig
Die HGB Leipzig sowie die im Rahmen der Hochschultätigkeit umgesetzten Maßnahmen werden mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
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