In Conversation with Len Bay and Valentina Plank
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In Conversation with
Len Bay and Valentina Plank
Len Bay and Valentina Plank, Artist Talk
Künstlerische Zusammenarbeit ist ein Balanceakt – ein Zusammenspiel von Perspektiven, Intuition und individuellen Prozessen. Len Bay und Valentina Plank haben sich mit der Ausstellung no matter what auf genau dieses Zusammenspiel eingelassen. In unserem Gespräch geben sie Einblicke in ihre gemeinsame Arbeit, den Einfluss von Raum und Material, und wie sich ihre künstlerischen Positionen gegenseitig herausfordern und bereichern.
Jonas Liesaus: Hallo ihr Beiden! Ich durfte euch über einen längeren Zeitraum durch die Planung und Umsetzung von no matter what begleiten. Wie ist die Idee entstanden, eine Ausstellung gemeinsam zu realisieren?
Len Bay: Gemeinsam ausstellen wollten wir schon länger. […] Als es dann um die a&o Kunsthalle als potenziellen Ort für die Diplomverteidigung ging, war eigentlich klar: Das ist die Chance für uns, gemeinsam etwas zu machen.
Valentina Plank: Wir hatten im Sommer 2022 begonnen darüber zu sprechen und konkret zu überlegen, welche räumlichen Gegebenheiten in Leipzig dafür in Frage kommen könnten. Schon damals war die a&o Kunsthalle eine unserer Favoritinnen, weswegen wir sehr froh darüber sind, dass wir nun die Möglichkeit hatten, den Wunsch zu realisieren.
JL: Habt ihr bereits vor „no matter what“ an gemeinsamen Projekten gearbeitet, oder war dies die erste bewusste Zusammenarbeit?
LB: Das war die Premiere für eine solche Zusammenarbeit.
Len Bay, Giving space to an empty space (congrats on the wedding), 2025
Len Bay and Valentina Plank, Artist Talk
JL: Eure Arbeiten scheinen in Dialog zu treten – sei es durch formale Bezüge, durch Materialien oder durch den Umgang mit Raum. War das eine bewusste Entscheidung, oder hat sich das im Prozess ergeben?
LB: Ausgangspunkt unserer Überlegungen sind zwei Arbeiten von 2024: meine Serie „cute aggression“ und Valentinas Stahlrohrbögen. Die Materialität der Rohrbögen ist hier ein starker formaler Bezug, unsere Methode unterscheidet sich jedoch grundlegend. Ich finde es spannend, in solchen Momenten Nähe zuzulassen und zu beobachten, was für ein Dialog entsteht.
VP: Wir achten [jedoch] sehr auf die Autonomie der jeweils anderen Person, gerade weil die Grenzen fluide sind. So sprechen wir uns zum Beispiel regelmäßig ab, wenn die selben oder ähnliche Materialien, Formen oder Ansätze in der Praxis des Anderen eine Rolle zu spielen beginnen. Natürlich inspirieren wir uns auch gegenseitig und können das zulassen - Darüber bin ich sehr froh, das zeugt von Vertrauen. Im Rahmen des Prozesses, der die Ausstellung betrifft war es eine bewusste Entscheidung, dass wir genau die Arbeiten mit in unsere Kuration einbeziehen, die sich Formal nahe kommen.
JL: Trotz eurer Überschneidungen: Worin unterscheidet sich eure Herangehensweise? Hat diese Differenz die Kuration der Ausstellung beeinflusst oder neue Spannungen erzeugt?
VP: Es gibt ganz fundamentale Unterschiede an Herangehensweisen - Len arbeitet recherchebasiert, plant und setzt dann um. Ich verfolge zwar ein übergeordnetes Konzept, arbeite aber innerhalb dieses Rahmens experimentell und intuitiv. Je nach Perspektive findet man aber beide Ansätze auch mehr oder weniger ausgeprägt bei uns beiden wieder.
LB: […] Die Herausforderung in der Setzung im Raum war dann, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Arbeiten jeweils gerecht zu werden, auch wenn diese teilweise konträr zueinander sind.
JL: Wie habt ihr den Raum der a&o Kunsthalle als Teil eurer Arbeiten verstanden? Hat sich euer Konzept während des Aufbaus verändert?
VP: Ich dachte im Vorhinein, dass ich eine stärker ortsspezifisch gewichtete Auseinandersetzung mit dem Raum verfolgen werde. Während der Vorbereitung habe ich bewusst Leerstellen gelassen, um die maximale Freiheit zu haben, mit gewissen, noch unbestimmten Materialien im Raum agieren oder auf ihn reagieren zu können. Die Halle selbst lädt ein und fordernd zugleich. Das mag ich sehr an ihr. […]
LB: Bei meiner Arbeit spricht der Raum [ebenfalls] ganz stark mit. Ich habe bei der Kuration bewusst die architektonischen Besonderheiten der Kunsthalle integriert. Zum Beispiel die Trägersäule als Ausgangspunkt für einen dekonstruierten Sandkasten, die Rotunde als intime Bühne für das Geheimnis der Muschel oder das [optische] Durchbrechen der Wand mit Sand, [was] nur aus einer bestimmten Blickachse sichtbar ist.
JL: Ihr arbeitet mit einer Vielfalt an Materialien – gibt es bestimmte, zu denen ihr immer wieder zurückkehrt? Und gibt es eines, das ihr unbedingt noch ausprobieren möchtet
VP: Durch unseren gemeinsamen Ursprung im Bereich Bildhauerei / Metall gibt es eine Art Fixpunkt von dem in unseren beiden Praxen ausgegangen wird. Allerdings erweitert sich unser beider Vokabular stetig. Im Laufe meiner Auseinandersetzung hat sich das Spektrum meines Interesses auf eine Vielzahl industrieller Halbzeuge erweitert. Und dieser Bereich ist in meinem Forschen noch nicht ausgeschöpft. [..] Aber auf ein einzelnes Material oder einen bestimmten Ansatz festgelegt zu sein, ist mein größter Albtraum. Das wäre in etwa so, wie eine Doppelhaushälfte mit Vorgarten in Erlangen zu kaufen.
LB: [Bei mir wird] Edelstahl [...] weiterhin ein Thema bleiben. Zukünftig aber weniger Gips – stattdessen Glasfaser und Kunstharz.
JL: Welche Rolle spielt das Material für die inhaltliche Dimension eurer Werke?
VP: Ich gehe oft vom Material selbst aus. Es beginnt mit einer Faszination für einen bestimmten Stoff oder ein bestimmtes Teil. Löst die Faszination im Umgang dann ein weiterführendes Interesse aus, springt eine Art Assoziationsmotor an, durch den ich einen Zugang zu mir selbst und meinem Gegenüber bekomme. […] Es ist schwer zu beschreiben…
Ich lehne konkrete Symbole in meiner eigenen Arbeit ab, und doch formen stoffliche Zustände, wie die Härte, das Gewicht, die Nachgiebigkeit eines Materials eine Behauptung.
LB: Materialität vereint in sich selbst bereits eine Menge unterschiedlicher Bedeutungsebenen. Es ist für mich einer der ersten Bezugspunkte, anhand derer ich mein Narrativ aufzuspannen versuche. Beispielsweise haben Sand, gebrannte Fliesen und Zement alle eine materielle Verwandtschaft, aber sehr unterschiedliche materialästhetische Eigenschaften.
Valentina Plank, Untitled (tubes), 2024
Len Bay and Valentina Plank, Artist Talk
JL: Wie entstehen eure Arbeiten? Gibt es einen Moment, der den Ausgangspunkt für ein neues Werk bildet?
VP: Ich bin davon überzeugt, dass alles, was einen längerfristigen, konstruktiven Wert für mich darstellt, aus dem Machen selbst kommt. In Bewegung sein, körperlichen, emotionalen, kognitiven Impulsen nachspüren. Erst danach wird überprüft, ob das was entstanden ist auch Bestand haben kann.
LB: Für mich steht das Konzept an erster Stelle. Ich erdenke zunächst alles und gehe dann in die Prüfung im Atelier bzw. Produktion. Ich arbeite auch gern mit Modellen oder Platzhaltern.
JL: Was treibt euch an, immer wieder neue Arbeiten zu produzieren?
LB: Die nächste Idee.
VP: Unruhe.
JL: Gibt es Werke, die es nicht in die Ausstellung geschafft haben?
VP: Einige! Am Ende ist es eine Frage von - was tut sich gegenseitig gut oder wo entsteht eine produktive Reibung. Da fliegen schnell mal ein paar Arbeiten raus, die der Sache oder der gemeinsamen Vision nicht dienen oder andere kommen dazu, die einen Konsens konkretisieren, der wichtig ist. Man muss, wenn es die Situation erfordert, in der Lage sein, sowohl das eigene Ego als auch die persönlichen Darlings zu killen um gemeinsam die richtigen Entscheidungen für die Ausstellung zu treffen.
LB: […] Wir mussten uns schlussendlich beide etwas reduzieren und haben uns gegen einige ältere Arbeiten entschieden – wie in meinem Fall zum Beispiel „Revenge bedtime procrastination“.
JL: Die Zeit des Aufbaus in der a&o Kunsthalle war sicher auch eine Phase des Austauschs. Gab es Überraschungen, die aus dem gemeinsamen Arbeiten entstanden sind?
VP: [Ja natürlich!] Wir waren immer wieder überrascht, wie gegensätzlich unsere Arten sind über bestimmte Dinge nachzudenken. Wir kennen uns gut und wissen, was für die jeweils andere Person wichtig ist und trotzdem gab es immer wieder diese Momente, in denen wir festgestellt haben, dass wir von dem genauen Gegenteil ausgehen um zu dem selben Punkt zu kommen. Das war spannend.
LB: Ich habe zuletzt noch einige Objekte aus meiner Serie „cute aggression“ mit in die Ausstellung gebracht, die die ganze Ausstellung schön zusammengezogen haben.
JL: Welche neuen Impulse konntet ihr aus dieser Zusammenarbeit für eure individuelle Praxis mitnehmen? Was bleibt – und was kommt?
LB: In unseren letzten Gesprächen haben wir festgestellt, dass sich bei uns beiden nochmal einiges transformiert hat und wir gerade Lust auf Veränderung haben. Es bleibt also spannend.
VP: Auch wenn ich mir manchmal wünschte, ich würde mit einer konkreteren Vorstellung an die Sache gehen, fühle ich mich durch die fortlaufende Überprüfung im Austausch über unsere Ansätze bestärkt. Ich konnte viel darüber lernen, warum mir welche Aspekte meines Handelns so wichtig sind.
JL: In einem frühen Stadium der Planung habt ihr eure Objekte und Installationen als Behältnisse beschrieben, die von Betrachtenden mit eigenen Erfahrungen gefüllt werden können. Könnt ihr diese Idee näher erläutern?
LB: Damals haben wir gerade viel über Material Agency gesprochen. Ich glaube, es ging darum, was die inhärenten Wirkmechanismen der Materialität, der Textur und der Verarbeitung sind. Für mich ist daran interessant, wie ich diese Konnotationen und Bedeutungsebenen für meine Narration nutzen kann. Oder: Wie stark sind sie und wie viel lenken sie im Rahmen meiner Arbeit mögliche Interpretationen?
VP: Ich glaube die Formulierung ist in Zusammenarbeit mit dir entstanden, da du versuchen musstest, unsere noch nicht ganz greifbaren Prozesse während der Enstehungsphase unserer Diplome zu fassen. Soweit ich mich erinnere bezog sich das auf eine Aussage von mir, die mein Verhältnis zu meinen Arbeiten beschreiben sollte und genauer meint: ich möchte so wenig Lesart wie möglich vorgeben. Es gibt vielleicht einen Hint im Titel oder eine Richtung, aber am Ende geht es darum, was die betrachtende Person an Assoziationen mitbringt. […]
LB: Ein Beispiel: Die Schweißnaht ist für Valentina und mich – da wir beide einen Background in der Metallbildhauerei haben – mehr als nur eine singuläre Technik. Sie kann brutal und schmerzhaft sein, sie kann versteckt und clean sein, sie kann Material auftragen oder Material verbrennen. Das ist dann ein produktiver Dialog zwischen Sehgewohnheiten, mit denen wir auf das Material schauen, und der Information, die der Stoff in sich trägt.
JL: Was steht für euch nach der Ausstellung an? Woran arbeitet ihr gerade – was inspiriert euch in diesem Moment?
LB: Wir gründen gerade ein Atelier – darauf freue ich mich sehr. Community und Supportstrukturen zu etablieren, ist in unserer Branche so wichtig. […]
VP: […] Ich bin ab April Meisterschülerin und plane parallel eine Zeit ins Ausland zu gehen.Und natürlich weiterarbeiten, das steht an erster Stelle.
JL: Vielen Dank euch Beiden für den Austausch! Mir hat besonders an der Ausstellung gefallen, wie aus den formalen Bezügen immer wieder neue Bedeutungen im Wechselspiel zwischen euren Arbeiten entstehen konnten. Und ich konnte viel darüber Lernen, wie wertschätzend und doch bestimmt inhaltliche Auseinandersetzungen und Diskussionen über die Kuration geführt werden können – das ist nicht selbstverständlich!
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