KW 29 September - 11 November 2022
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Soloausstellung
THE RAG
Soloausstellung, THE RAG
Die polnische Künstlerin Renata Rara Kaminska lebt in Deutschland und der Schweiz.
Sie arbeitet vor allem mit Zeichnungen, Bildhauerei, Weberei und Installation. Sie ist politisch aktiv und ist Teil unterschiedlicher Bewegungen und Initiativen, etwa die polnische progressive Partei "Lewica Razem". Kaminska beschäftigte sich zuletzt mit gedruckten Lokalzeitungen aus Polen, Deutschland, Frankreich und Tschechien. Dabei steht das kollektive Gedächtnis und dessen Manifestation im öffentlichen Raum im Mittelpunkt ihrer Recherche. Die Künstlerin stellt die Frage:
„Wem gehört der öffentliche Raum und welcher Teil gehört mir?”
Dieser Raum meint öffentliche Bereiche, Plätze und Straßen, aber am bedeutendsten für Kaminska ist der Platz für den Informationsaustausch und Massenkommunikation.
Das älteste Massenmedium ist die Zeitung. Die ersten Zeitungen stammen aus Europa des 17. Jahrhunderts. Handgeschriebene Nachrichtenblätter wurden damals durch gedruckte, regelmäßig erscheinende Zeitungen abgelöst. Im 20. Jahrhundert waren Zeitungen ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens. Oft waren sie in Stillleben von zeitgenössischen Künstler*innen präsent und wurden bedeutungsvoll für Assemblagen oder Ready-Mades.
Als 1962 in London Künstler*innen der Fluxus Bewegung das "Festival of Misfits" organisierten, schlug Gustav Metzger (1926–2017) vor eine Ausgabe des „Daily Express” auszustellen. Der Akt eine gewöhnliche Tageszeitung auszustellen, änderte den Status von einem Alltagsgegenstand zu einer Installation, und sollte die Bedeutung von veröffentlichten Inhalten wie zum Beispiel dem Horror des Kalten Krieges und der aggressive Kapitalismus in der Nachkriegszeit aufdecken. Das Konzept, welches als "zu politisch" eingeordnet und abgelehnt wurde, wurde ein halbes Jahrhundert später durch Metzger im Tate Modern realisiert. Währenddessen träumten progressive Künslter*innen, welche sich mit dem realen Sozialismus auseinandersetzen, von einem Leben in einem System mit einem freien Markt und generell mehr Freiheiten in der Kunst und Kultur, die stark durch die kommunistische Partei kontrolliert wurde.
Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Performance „Panoramiczny happening morski” aus dem Jahr 1967, welche an der Ostseeküste durch den renommierten Künstler Tadeusz Kantor (1915–1990) durchgeführt wurde. Unter dem Titel „Kultura agrarna na piasku“ steckte er gerollte Zeitungen in gleichmäßigen Reihen in den Sand. Trotz der Unterschiede der politischen Hintergründe sind „Panoramiczny happening morski” und die Arbeiten von Gustav Metzger in den internationalen Kunstkanon eingegangen.
Die Ausstellung von Renata Rara Kaminska, welche im Herbst 2022 in Warschau eröffnet wurde passt in diese Tradition kritischer und sozial engagierter Kunst. Kaminska greift bewusst auf verschiedene Ansätze von Künstler*innen aus den vergangenen Jahrzehnten zurück, indem sie ein Material verwendet, welches mit unterschiedlichen Bedeutungen assoziiert werden kann: Die Tageszeitung. Sie lenkt die Aufmerksamkeit auf die ständige Notwendigkeit analytischer und kritischer Beobachtung der von den Medien repräsentierten und gleichzeitig geschaffenen Realität. Sie appelliert an einen Teil der zeitgenössischen polnischen Gesellschaft, der gleichzeitig das Erbe des rücksichtslosen Kapitalismus Westeuropas zu akzeptieren scheint, ebenso wie die inhärente Kontrolle der führenden Partei über Massenmedien und Kunstinstitutionen im Stil der späten kommunistischen Diktaturen.
Kaminskas Installationen aus Zeitungspapier werden durch mysteriöse hölzerne Objekte ergänzt. Dessen Präsenz soll an die organischen Ursprünge des Papiers erinnern und weisen gleichzeitig auf den Produktionsprozess im weitesten Sinne hin: Die Verbindung zwischen der menschlichen Zivilisation und dem Ökosystem des Planeten.
Dünne Funierblätter hergestellt aus tropischen Baumarten stellen ein Bespiel für ”colonial goods” dar. Die Artefakte aus diesem Material ähneln Organen - Lunge, Herz, Blutkreislauf - unabdingbar für das menschliche Leben, sowie auch für die Existenz aller anderen Chordata-Lebewesen.
Text von Agnieszka Tarasiuk
Übersetzung Nele Herbert
Teilnehmende Künstler*innen:
Renata Rara Kaminska
Konzept und Kuration:
Tanja Heuchele
Bild: Bartosz Gorka
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