In Conversation with
Franziska Reinbothe
Franziska Reinbothe, Artist Talk
Tanja Heuchele: Liebe Franziska, wie geht es dir heute? Von wo aus bearbeitest du deine Fragen und welche Lieblingsgegenstände liegen in deiner direkten Umgebung, die dir Inspiration schenken?
Franziska Reinbothe: Danke, es geht mir gut, ich beantworte die Fragen von meinem Arbeitsplatz aus und ich besitze keine Lieblingsgegenstände.
TH: Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu der gelungenen Ausstellung "in Bewegung"! Wie kam es zu dieser Ausstellung? Und, warum eigentlich "in Bewegung"?
FR: Ich hatte schon lange vor, meine künstlerische Arbeit in der a&o Kunsthalle Leipzig zu präsentieren, wollte dies aber nicht allein machen. Als ich dann die Möglichkeit einer Ausstellung erhielt, sind mir aus meinem KollegInnenkreis sofort Luise von Rohden und Sebastian Dannenberg eingefallen. Luise hatte ich kurz zuvor zum ersten Mal in ihrem Atelier in Leipzig besucht und ich war fasziniert von der malerischen Präsenz ihrer Zeichnungen, die sich mir anhand der digitalen Abbildungen, die ich ja bereits kannte, gar nicht mitgeteilt haben. Mit Sebastian verbindet mich eine mehr als zehnjährige Freundschaft, die ihren Ursprung in einem gegenseitigen Fachklassenbesuch unserer damaligen Professoren Ingo Meller (Leipzig) und Stephan Baumkötter (Bremen) hat: Sebastian beschäftigte sich damals v.a. mit den Rückseiten von gemalten Bildern – und aus Gründen interessierte mich das sehr! „In Bewegung“ habe ich ursprünglich nur als Arbeitstitel gesetzt. Aber im Verlauf der Ausstellungsplanung zeigte sich, dass er im Grunde den Kern unserer jeweiligen künstlerischen Position trifft, die sich gerade nicht auf ein Medium allein reduzieren lässt, sondern sich dynamisch zwischen Malerei, Zeichnung, Skulptur und Installation hin und her bewegt. Und aus dieser Dynamik heraus entwickelten wir auch die Hängung: Welche Kombination unserer jeweiligen Werke bündelt und präzisiert deren spezifische Eigenschaften – und welche beispielsweise nicht? (Und gefällt uns das nicht auch?) Und nicht zuletzt: gelingt es uns durch unsere komponierte Hängung, die BetrachterInnen zu einem bestimmten Bewegungsmuster zu animieren? Und dank der Projektförderung durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen haben wir das Grafikdesignbüro GRÜTZNER TRIEBE aus Leipzig und Berlin mit der Konzipierung und Herstellung einer Ausstellungspublikation beauftragen können, die den Moment des in Bewegung seins sehr gut umgesetzt hat.
TH: Kannst du uns deinen typischen kreativen Prozess erklären, von der Ideenfindung bis zum fertigen Kunstwerk?
FR: In meiner künstlerischen Arbeitspraxis herrscht das Prinzip des lustvollen Ausprobierens und im Laufe meiner mehrjährigen Tätigkeit als Bildende Künstlerin habe ich eine mir gewisse Anzahl von Bildfindungsstrategien erstritten. Eine dieser Strategien nenne ich mittlerweile Umformungen: Nach Beendigung des Malprozesses dekonstruiere ich das Bild mal mehr mal weniger und entweder mit bloßen Händen oder unter Zuhilfenahme diverser Werkzeuge und Vorrichtungen in seine ursprünglichen Einzelteile. Mein Anspruch ist dabei stets folgender: Obwohl ich bestimmte Parameter wie die Größe des Keilrahmens, die Auswahl des Gewebes und des Farbmaterials etc. im Vorhinein festlege, muss das Ergebnis für mich bis zum Ende offen bleiben. Langeweile und Routine sind meine persönlichen Endgegner. Was passiert denn, wenn ich das gemalte Gewebe vom Keilrahmen abspanne und es zusammenrolle („Palme“ 2015). Und wie sieht ein Bild aus, wenn ich statt herkömmlicher Farbe semitransparentes Chiffongewebe verwende (ohne Titel (009), 2023), das ich vorab obendrein in opulente Falten gelegt habe? Mich treibt eine erfreulicherweise nicht enden wollende Neugier an und am meisten liegen mir diejenigen meiner Bilder am Herzen, in deren Erarbeitungsprozess ich einen bis dahin unbekannten Einfall angewendet habe. Das sind dann Bilder, die mich überraschen und denen das Potenzial innewohnt, mir eine neue Möglichkeit der Bildfindung aufzuweisen.
The Artist, Franziska Reinbothe
Franziska Reinbothe, Artist Talk
TH: Wie entscheidest Du über die Themen oder Motive für deine Kunstwerke?
FR: Die erste Umformung nahm ich vor ca. 12 Jahren aus einem Moment echter Enttäuschung und Verärgerung heraus vor: Ich hatte ein gänzlich misslungenes Bild wirklich zerstören wollen. Erst im nachmaligen Betrachten ist mir das rabiate Auflösen des konventionellen Bildgevierts als eine treffende Lösung aus meiner damaligen künstlerischen Sackgasse erschienen. Und wiederum einige Jahre später begriff ich dann, dass es mir gar nicht ausschließlich um die Hinterfragung und Ausreizung des herkömmlichen Tafelbildes geht (auch, ja, aber eben nicht nur), sondern um eine sich immer weiter verfeinernde, franziskaeske Art der Bildfindung. Mir wurde klar, dass ich mir selbst alles erlauben darf. Und dies beinhaltet mittlerweile die Verwendung von Chiffongewebe oder das Einbeziehen bestimmter Vernähungstechniken. So betrachtet treffe ich also keine (ausgedachten) thematischen Entscheidungen, sondern habe vor Jahren einer theatralischen Emotion stattgegeben, in deren bildnerischem Ergebnis ich meine künftige künstlerische Basis erkannte – und die ich seither kontinuierlich erweitere.
TH: Wie hoffst du, dass Betrachtende deine Kunstwerke wahrnehmen oder damit interagieren?
FR: Offen gestanden: Derartige Vorüberlegungen mache ich nie. Jede BetrachterIn erhält von mir das Vertrauen zugesprochen, auf ihre Weise meine Bilder wahrzunehmen, ich lege da nichts vor.
TH: Womit beschäftigst du dich gerade besonders? Gibt es bestimmte Themen, die dich gerade fesseln? Erforschst du derzeit bestimmte KünstlerInnen oder Kunstrichtungen, die dich inspirieren?
FR: Momentan renoviere ich mein neues Atelier und so bin ich zum ersten Mal seit meinem Abschluss an der HGB Leipzig gezwungen, in meiner künstlerischen Produktivität zu pausieren. Ich beschäftige mich also derzeit damit, nicht zu malen. Das ist eine sehr neue Erfahrung, die mich aber in Versuchung bringt, auch zukünftig in meiner künstlerischen Tätigkeit einen oder besser zwei Gänge herauszunehmen. Warum? Ich habe an der neuen Ruhe Gefallen gefunden. Sie tut mir und meinen zukünftigen Bildern gut.
TH: Was ist deiner Meinung nach die Rolle der Kunst in der heutigen Gesellschaft, und wie fügt sich deine Arbeit in diesen Kontext ein?
FR: Kunst hat meiner Meinung nach nie aufgehört, vor allem der (Selbst-)Bildung zu dienen. Über das Betrachten von und den Austausch über Kunst lässt sich allerhand lernen. So können sich neue Meinungen zu diversen Themenbereichen bilden oder bereits bestehende bestätigen oder verändern – was deren kritische Hinterfragung voraussetzt. Eine zweite wichtige Voraussetzung sehe ich in der Diskursoffenheit bei ProduzentInnen wie BetrachterInnen gleichermaßen. Kunst ist immer auch Kommunikation, sie dient also einem Miteinander. Allerdings nehme ich für meine eigene künstlerische Position/Arbeit keinen klassischen Bildungsauftrag in Anspruch, denn ich möchte zuallererst für mich selbst gute Bilder finden und umsetzen; meine Arbeit muss zunächst mir selbst Freude bereiten. Erst wenn beides der Fall ist, betrachte ich ein Bild als valide genug, um es auszustellen. Und die Frage, was sich hieraus lernen lässt, gebe ich guten Gewissens an alle AusstellungsbesucherInnen ab.
TH: Glaubst du, dass Kunst die Macht hat, soziale oder politische Veränderungen herbeizuführen? Wenn ja, wie?
FR: Ja, das glaube ich. Mit Intelligenz, Kompetenz, Präzision und einem entschiedenen Interesse daran, auch unter individuell belastenden Situationen nicht allein an sich selbst zu denken, sondern eine Gemeinschaft im Blick zu haben. Und auf gar keinen Fall ohne Humor!
TH: Und nun noch abschließend, hat die Kunst dich oder du sie gefunden?
FR: Letzteres.
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